Nach einem Unfall sind viele Fragen zu klären: Wer ist schuld? Wie hoch ist der Schaden? Lohnt sich eine Reparatur überhaupt noch? Und spätestens dann fällt ein Begriff, den viele zum ersten Mal hören: Wiederbeschaffungswert. Doch was bedeutet dieser Begriff genau? Und wie wird er im Kfz-Gutachten korrekt ermittelt?
Der Wiederbeschaffungswert ist besonders wichtig, wenn der Schaden am Fahrzeug so groß ist, dass eine Reparatur wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll erscheint – also bei einem Totalschaden. Auch bei der sogenannten „fiktiven Abrechnung“ oder bei der Berechnung der Wertminderung spielt er eine zentrale Rolle. Als unabhängiger Kfz Gutachter in Herford erkläre ich Ihnen in diesem Beitrag, wie der Wiederbeschaffungswert zustande kommt, welche Kriterien dabei berücksichtigt werden – und warum eine neutrale Bewertung so wichtig ist.
Was genau ist der Wiederbeschaffungswert?
Der Wiederbeschaffungswert ist der Betrag, den Sie auf dem regionalen Markt aufwenden müssten, um ein gleichwertiges Fahrzeug zu erwerben – unmittelbar vor dem Unfall.
Es handelt sich dabei also nicht um den Neupreis, sondern um den durchschnittlichen Marktwert eines vergleichbaren Fahrzeugs:
- gleiche Marke und Modell
- ähnlicher Kilometerstand
- vergleichbare Ausstattung
- identischer Pflege- und Erhaltungszustand
- ähnliche Zulassung und Erstzulassungsjahr
Dieser Wert bildet die Grundlage für viele weitere Entscheidungen im Schadenfall – etwa für die Ermittlung des Totalschadens oder der Nutzungsausfallentschädigung.
Vergleich: Wiederbeschaffungswert vs. andere Werte
| Begriff | Bedeutung |
|---|---|
| Wiederbeschaffungswert | Marktwert vor dem Unfall – Preis für gleichwertiges Auto |
| Zeitwert | Marktwert unter Berücksichtigung von Alter und Zustand |
| Restwert | Wert des beschädigten Fahrzeugs nach dem Unfall |
| Reparaturkosten | Betrag, der zur Instandsetzung nötig wäre |
Wichtig: Der Wiederbeschaffungswert ist keine Schätzung ins Blaue – er muss durch Marktanalysen, Vergleichsangebote und fachliche Erfahrung fundiert sein.
Wann spielt der Wiederbeschaffungswert eine Rolle?
Der Wiederbeschaffungswert wird immer dann wichtig, wenn Ihr Fahrzeug so stark beschädigt wurde, dass es sich nicht mehr wirtschaftlich reparieren lässt – also bei einem wirtschaftlichen Totalschaden.
Er wird außerdem herangezogen für:
- die Berechnung der 130%-Grenze (Reparaturkosten dürfen max. 30 % über dem Wiederbeschaffungswert liegen, wenn Sie das Auto weiter nutzen)
- die Entscheidung, ob eine Reparatur oder Auszahlung wirtschaftlich sinnvoller ist
- die fiktive Abrechnung
- die Berechnung des Nutzungsausfalls
- die Wertminderung
Szenarien, in denen der Wiederbeschaffungswert entscheidend ist
| Situation | Warum der Wert relevant ist |
|---|---|
| Totalschaden | Versicherung zahlt Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert |
| Reparatur über 130 % | Keine Erstattung möglich |
| Fiktive Abrechnung | Grundlage für Auszahlung |
| Nutzungsausfallentschädigung | Dauer richtet sich nach Wiederbeschaffungswert |
In all diesen Fällen muss der Wiederbeschaffungswert nachvollziehbar, realistisch und marktorientiert ermittelt werden – hier kommt der Sachverstand eines Gutachters ins Spiel.
Wie wird der Wiederbeschaffungswert im Gutachten ermittelt?
Als erfahrener Kfz Gutachter in Herford gehe ich bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts stets nach einem bewährten, professionellen Verfahren vor. Dieses umfasst:
- Fahrzeugdaten erfassen: Hersteller, Modell, Motorisierung, Baujahr, Laufleistung, Ausstattung
- Zustand prüfen: Karosserie, Technik, Innenraum, Pflege, Vorschäden
- Regionale Marktanalyse: Vergleich mit tatsächlich am Markt angebotenen Fahrzeugen
- Berücksichtigung von Schwacke- oder DAT-Werten: Als Orientierungshilfe – nicht als alleinige Grundlage
- Dokumentation im Gutachten: Transparent, mit Vergleichsfahrzeugen, Bildern und Belegen
Einflussfaktoren auf den Wiederbeschaffungswert
| Kriterium | Wirkung auf den Wert |
|---|---|
| Laufleistung | Hoher Kilometerstand = niedrigerer Wert |
| Pflegezustand | Gepflegte Fahrzeuge erzielen höhere Werte |
| Regionale Nachfrage | Fahrzeugtypen sind lokal unterschiedlich gefragt |
| Ausstattung | Hochwertige Extras erhöhen den Wiederbeschaffungswert |
| Reparatur- und Unfallhistorie | Schäden senken den Marktwert |
Tipp: Der Wiederbeschaffungswert sollte immer von einem unabhängigen Sachverständigen ermittelt werden – nicht durch die Versicherung selbst. Nur so ist sichergestellt, dass Ihre Interessen vollständig berücksichtigt werden.
Was passiert bei einem Totalschaden?
Wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen und auch die 130 %-Grenze überschritten ist, spricht man von einem wirtschaftlichen Totalschaden. In diesem Fall ersetzt die gegnerische Versicherung den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts.
Beispielrechnung:
- Wiederbeschaffungswert: 10.000 €
- Restwert: 2.500 €
- Auszahlung durch Versicherung: 7.500 €
Sie können das beschädigte Fahrzeug dann verkaufen oder behalten – die Auszahlung erfolgt unabhängig davon.
Wichtig: Die Versicherung darf nicht einfach einen zu niedrigen Wiederbeschaffungswert ansetzen, um sich günstig „freizukaufen“. Achten Sie daher unbedingt auf ein neutrales Gutachten.
Was bedeutet der Wert bei fiktiver Abrechnung?
Auch wenn Sie Ihr Fahrzeug nicht reparieren lassen, haben Sie Anspruch auf eine Auszahlung. In diesem Fall wird auf Grundlage des Gutachtens abgerechnet – und der Wiederbeschaffungswert spielt eine zentrale Rolle.
Die Versicherung zahlt:
- den Wiederbeschaffungswert
- abzüglich des Restwerts
- ohne Umsatzsteuer, wenn keine Rechnung vorliegt
Auch hier gilt: Je realistischer und präziser der Wiederbeschaffungswert ermittelt wurde, desto höher fällt Ihre Erstattung aus.
Fiktive Abrechnung – so funktioniert’s
| Schritt | Bedeutung |
|---|---|
| Gutachten beauftragen | Sachverständiger ermittelt Schaden und Wiederbeschaffungswert |
| Auszahlung durch Versicherung | Auf Basis des Gutachtens – ohne Reparaturrechnung |
| Sie behalten oder verkaufen das Auto | Entscheidung liegt bei Ihnen |
| Restwert berücksichtigen | Dieser wird vom Erstattungsbetrag abgezogen |
Häufig gestellte Fragen zum Wiederbeschaffungswert
Wer bestimmt den Wiederbeschaffungswert – ich oder die Versicherung?
Der Wiederbeschaffungswert sollte immer durch einen unabhängigen Kfz Gutachter bestimmt werden. Zwar können Versicherungen eigene Werte nennen, doch diese liegen häufig unter dem Marktwert. Wenn Sie selbst ein Gutachten beauftragen – was Ihnen rechtlich zusteht – können Sie sicher sein, dass die Bewertung neutral und realistisch erfolgt.
Wie finde ich heraus, ob der Wiederbeschaffungswert korrekt ist?
Im Gutachten werden in der Regel 3 Vergleichsfahrzeuge aufgeführt, die mit Ihrem Fahrzeug übereinstimmen. Zusätzlich zieht der Gutachter Werte von DAT, Schwacke oder mobile.de zur Kontrolle heran. Wenn Sie Zweifel haben, lassen Sie das Gutachten gegenprüfen oder ziehen Sie einen zweiten Sachverständigen hinzu.
Wird der Wert inkl. MwSt. berechnet?
Ja – der Wiederbeschaffungswert wird grundsätzlich inklusive Umsatzsteuer angegeben. Die Erstattung erfolgt jedoch netto, wenn keine Ersatzbeschaffung mit Rechnung erfolgt. Wenn Sie ein Ersatzfahrzeug kaufen und eine Rechnung vorlegen, zahlt die Versicherung den Bruttobetrag.
Was ist, wenn ich das Auto trotzdem reparieren lassen will?
In bestimmten Fällen können Sie Ihr Fahrzeug trotz wirtschaftlichem Totalschaden reparieren lassen – etwa, wenn die Reparaturkosten nicht mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert liegen. Diese sogenannte 130%-Regel greift nur, wenn das Fahrzeug fachgerecht und vollständig instand gesetzt wird und Sie es mindestens sechs Monate weiter nutzen.
Warum unterscheiden sich Restwert und Wiederbeschaffungswert so stark?
Der Restwert wird anhand von Angeboten professioneller Aufkäufer ermittelt, die beschädigte Fahrzeuge weiterverwerten. Der Wiederbeschaffungswert hingegen spiegelt den Preis wider, den Sie für ein gleichwertiges, unbeschädigtes Fahrzeug zahlen müssten. Die Differenz ist bei stark beschädigten Autos oft erheblich – und genau das ist der Betrag, den Sie erstattet bekommen.
Kann ich den Wiederbeschaffungswert auch nachträglich prüfen lassen?
Ja – wenn Sie den Eindruck haben, dass der Wiederbeschaffungswert zu niedrig angesetzt wurde, können Sie das Gutachten nachträglich prüfen lassen. Solange der Fall nicht vollständig abgeschlossen oder verjährt ist, besteht die Möglichkeit, Nachforderungen geltend zu machen.
Interessante Links zum Wiederbeschaffungswert im Gutachten
Der Wiederbeschaffungswert ist ein zentraler Begriff im Haftpflicht- und Kaskoschaden – entsprechend groß ist der Informationsbedarf. Wenn Sie noch tiefer einsteigen möchten, finden Sie hier seriöse Quellen mit hilfreichen Erklärungen, Urteilen und Rechenbeispielen:

